subcultalk mit der bildenden Künstlerin Julia Sophia aus Erfurt

Für diesen subcultalk hatten wir die Ehre mit der bildenden Künstlerin Julia Sophia aus Erfurt zu sprechen.
Julia Sophia ist auch Gastgeberin der Mal Workshops „Lass Farbe und Form kreativ sprechen“, die regelmäßig in ihrem Atelier und ihrer Kunstgalerie in Erfurt stattfinden.

Lernt sie nun in unserem gemeinsamen Interview besser kennen!



Was ist die Kunst, die du machst? 

Es geht darum, echte Momente einzufangen und zu versuchen, diese Energie in etwas Neues zu verwandeln. Der Schwerpunkt meiner Kunst liegt auf der direkten Erfahrung, der Einfachheit und dem Offen lassen von Fragen. Ich bin nicht wirklich eine Geschichtenerzählerin - meine Arbeit ist viel mehr ein Gefühl. Es kann eine Menge Geschichte dahinter stecken, aber man muss sie nicht kennen, um sie zu verstehen. Es ist genau wie bei der Musik. Man muss die Partitur einer Sinfonie nicht kennen, um sie zu genießen - man kann einfach die Klänge genießen. 

Auch in meinen Mal Workshops „Lass Farbe und Form kreativ sprechen“ versuche ich den Teilnehmer*innen immer wieder zu vermitteln, wie stark Farbe auf uns wirken kann und Emotionen aufgreift, unausgesprochnes zu Tage trägt und unser Innenleben wieder eine Stimme verleiht. Dabei ist mein größtes Ziel, Zweifel die durch das Bewerten entstehen oder aufgrund schulischer Erziehung entstanden sind, bei den Beteiligten wieder abzulegen.

Es gibt keine Fehler, und ich versuche, nie eine Entscheidung selbst zu bereuen, die ich getroffen habe. Ich betone immer den meditativen Aspekt durch vielseitigen Farbauftrag und bin mit vielen verschiedenen Techniken sehr vertraut. Es ist ein kontinuierlicher, natürlicher Fluss. Kunst zu machen ist also für mich, ein nicht-intellektueller, körperzentrierter, emotionaler Prozess. Der intellektuelle Teil kommt erst danach. 

Die Farbe ist meine primäre Sprache, die Hauptkomposition zu jedem Werk. Sie wird durch den Rhythmus der Gesten belebt, wie eine visuelle Melodie, die auf der Oberfläche zum Leben erwacht.




Wie hast du den Weg zu deiner Kunst gefunden? 

Es begann alles mit einer frühen Nahtod Erfahrung.
Ein Gefühl und ein Licht nicht von dieser Welt und ein Engel in Form einer Frau beschützten mich damals, bis ich in das künstliche Koma versetzt wurde. Dieser Schicksalsschlag öffnete mir die Tür zur Malerei und das schöpferische Sein wurde meine größte Erfüllung. Meine Familie erzählte mir immer, wie auswechselt ich danach war: Ruhig und geduldig, viel zentrierter, mehr beobachtend.

Seit da an, sah ich mir die Welt und ihre Ästhetik intensiver an und studierte sie. Ich war für Monate komplett eingegipst und Menschen betrauerten mich deshalb. Bis ich damit begann, den Gips bunt an zu malen. Der Effekt war schließlich sehr einfach und doch blieb er mir lange im Bewusstsein. Menschen die mich ab da an trafen, fragten nicht nach den Unfall sondern belächelten die kleinen Bilder. 

So bin ich schon sehr früh als Kind kreativ geworden und konnte mich stundenlang alleine beschäftigen. In der Schule erkannte man dann schnell mein Talent, und so wurde ich auch außerschulisch gefördert. Nach dem Abitur bin ich nicht klassisch zum Studium sondern beschloss eine Ausbildung zur Holzbildhauerin abzuschließen, um mein Wissen zu schulen und ein tragendes Fundament zu meiner weiteren künstlerischen Laufbahn zu ebnen. Da ich schon immer Farbe liebte, wechselte ich wieder zurück zu der Leinwand und mit den Jahren erkannte ich, nach unzähligen Acyrlarbeiten und Skizzen, dass ich nur durch das Öl, die starke Intensität der Farbe zum Ausdruck bringen kann.




Was ist der Grund dafür, dass du deine Kunst weiterhin ausübst? 

Sie gehört zu mir wie mein Atem, ein immer währender natürlicher Fluss, der mir die Freiheit und das Gefühl gibt, das alles möglich ist. 




Was ist dein persönliches Highlight während deiner gesamten Zeit als Künstler*in? 

Die Eröffnung meines ersten Ateliers und Kulturraums 2019 in der Erfurter Altstadt. Es war ein so unglaublich bunter und facettenreicher Tag, neben der ersten Kollektiv Ausstellung verschiedener Künstler*innen, spielten viele Musiker Freund*innen vor dem Atelier und einige interessierte kreative Menschen hatten eine wundervolle Zeit gemeinsam. 




Ein Raum zur völligen Entfaltung meiner künstlerischen Laufbahn wurde geboren.

Dabei begann alles mit einer Idee: Dem Teilen und Veranschaulichen von kreativen Prozessen, dem bewussten Zeit Verschwenden und die Ruhe und Geduld einkehren zu lassen, aus sich selbst heraus, etwas Eigenes zu erschaffen. Ein gleichberechtigter und fairerer Austausch miteinander und vor allem füreinander! 

Es folgten viele Ausstellungen, Konzerte, interkulturelle Veranstaltungen, das „Offene Atelier“. Auch das Kultur- und Kunst Magazin: „Mina Sinima“ habe ich ins Leben gerufen. Tolerante und gleichberechtigte Begegnungen und originelle Impulse zu teilen, sind seither für mich feste Bestandteile. 

Mitten in diesem vielseitigen und einladenden Ort arbeitete ich nun und liebe und lebe das kreative Schaffen seit meiner Kindheit. Immer mit dem politischen Interesse, eine klare Position einzunehmen und nach außen hin zu demonstrieren: Das Atelier Reservoir steht für eine tolerante und vielfältige Demokratie ein und geht durch seine Grundsätze gegen jegliche Diskriminierungen vor. 

Wann fühlst du dich am produktivsten? 

Am meisten sehr früh am Morgen, ich fühle mich dann noch so rein und unbefleckt. Für mich ist es die beste Zeit um Farbe aufzutragen, wenn noch kein Gedanke in mir erwacht ist und alles wie von allein und intuitiv geschieht. Auch das Licht am Morgen ist meine persönliche Lieblingsatmosphäre. 




Was oder wer inspiriert dich? 

Die Inspiration kommt für mich normalerweise ganz natürlich, wenn ich mit meinen Händen arbeite. 

Der Akt des Malens ist für mich eine Möglichkeit, etwas mitzuteilen, das ich nicht in Worte fassen kann. Ich denke dabei nicht wirklich nach– ich bin einfach dabei, im Moment, bin natürlich und lasse mich von meiner Intuition leiten. Dabei finde ich die Inspiration in vielen Menschen, die ich auf meinen Weg kennenlerne und den Reisen in ferne Kulturen, auch in Gefühlen und Stimmungen. Sie einzufangen ist mein größtes Interesse, und dabei immer das Positive durch viele Farbkombinationen auszustrahlen. 

Mich beeinflussen aber auch die historischen Ereignisse, meine Gegenwart und die Zukunft. Ich lasse mich eigentlich von allem inspirieren, was meinen Bildern einen Mehrwert verleihen kann– das können die Natur, die Kultur, bestimmte Musiker*innen und Künstler*innen sein, die plötzlich zu Katalysatoren für ein neues Gemälde werden. So ist auch die Musik für mich eine der größten „Quellen“ beim Malen. Der Rhythmus gibt mir meinen Duktus vor und so werde ich eins mit meinen Inneren und den Harmonien der Lieder.

Je nachdem in welcher Stimmung man sich eben befindet. Vor allem schwöre ich aber auf „Lounge Music“ wie Zero 7, Moby oder Air, weil sie in mir so eine unglaubliche Virtuosität erwecken, und ich so ganz in meinen Flow komme. 

In welchen "kleinen" Dingen findest du am meisten Freude? 

In der Natur, mit ihren unzähligen Pflanzen, wunderschönen starken Bäumen und ihren vielfältigen Tieren darin, selbst eine kleines Gänseblümchen kann mir ein Lächeln zaubern, wenn es mir kurz am Straßenrand begegnet. Die Natur kann uns so viel Kraft schenken und dabei verlangt sie nichts zurück. Ich denke diese intensive Beziehung zur Natur kommt davon, dass ich sehr nah am Wald mitten im Grünen aufwuchs.

Aber auch den Jakobsweg zu gehen, 2018, hat mir verdeutlicht, das wir Teil etwas viel Größeren sind: Unserer Erde dessen Schönheit einzigartig ist. Ich schreibe auch selbst Gedichte und lese für mein Leben gern, es erfüllt mein Inneres wie einen fünften Sinn, der alle anderen Sinne ersetzt. So kann ich mich kurz durch meine Phantasie von der Realität entfernen. 




Hast du eine Vision oder ein Ziel, auf das du hinarbeitest? 

Davon gibt es viele, ich nenne sie aber eher selbstgestalterische Zukunft. Sie wechselt also ab und zu, aber ich sehe meine Malereien oft in kleinen Galerien am Meer. Sie erinnern mich immer wieder daran. 



Was ist für dich persönlich ein gut gelebtes Leben? 

Achtsam und tolerant zu sein und den Menschen die man am Meisten liebt immer zu zeigen, dass man füreinander da ist. Vor allem Friede zu leben und zu teilen!
Ich bin immer schon ein kleiner Hippie gewesen, Freund*innen dachten früher ich käme aus einer Zeitkapsel direkt aus den 60ern. Ich wünschte es wäre wirklich so!

Aber auch Gutes Essen, Reisen, Yoga und tiefgründige Gespräche und Bücher bereichern mein Leben sehr. Aber vor allem Humor, er ist die letzte Instanz für mich, die mir immer wieder Kraft schenkt, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. 



Was tust du, wenn du dich "stuck" fühlst? 

Ich pausiere für einen Tag, beginne etwas Neues oder lasse es einfach hinter mir. Ich sage mir immer, es gibt keine Fehler, man kann nichts falsch machen und nach einer Runde Yoga oder Meditation ist mein Blick schon wieder viel offener für die vermeintliche Situation.



Wie gehst du mit Rückschlägen um? 

Ich nehme sie an, so gut es geht, ich denke alles ist eine Entwicklungsprozess an dem man wachsen kann, wenn man das richtige Mindset dazu einsetzt.



Was machst du, wenn du dich einsam fühlst? 

Ich koche Paella oder gehe eine weite Runde mit meiner Hündin in den Park. 



Was tust du, wenn du dich überfordert fühlst? 

Ich praktiziere Yoga, meine Tante Gauri brachte mir mit 16 schon viele Assanas und Atemtechniken bei, neben dem Sanskrit. So komme ich sehr schnell wieder runter, schenke mir neue Kraft und finde zu meiner inneren Ruhe zurück. 

Was ist dein Lieblingsgefühl? 

Liebe.
Liebe zu sich selbst und Liebe zu anderen, die Liebe zu den Menschen die immer an mich glauben und für mich da sind… Wahre Liebe kann alles überwinden und die Welt ins Positive verändern. 


Was ist das Gefühl, das du am wenigsten magst? 

Jedes Gefühl ist gut, wenn man es richtig annimmt und verarbeitet. Ich denke alles von uns, jeder kleine Teil gehört zu uns. Wir sind gefühlvolle Wesen und können dadurch wachsen, indem wir jedes Gefühl einfach akzeptieren. Statt also Gefühle zu unterdrücken, lasse ich jedes zu, und lerne das auch immer mehr zu schätzen. Wenn es vielleicht ein Gefühl gibt das ich nicht besonders gut finde, ist es Gleichgültigkeit. Sie kann uns sehr von unserer persönlichen Wahrheit entfernen. 




Wovor hast du am meisten Angst? 

Vor den ansteigenden Hass, der Intoleranz und der Wut der Menschen in Europa, ihren verqueren Wertvorstellungen und in welche Richtung wir uns damit bewegen. Unsere Demokratie scheint in Gefahr zu sein. Aber auch der Klimawandel und das Artensterben bringen enorm Sorge in mir hoch. Wir haben nur noch ein kleines Zeitfenster und ich persönlich gebe die Hoffnung nicht auf, aber ich weiß dass es sehr knapp für uns wird, unseren Planeten zu retten. 



Wenn du nur einen Song bis zum Ende deines Lebens hören könntest, welcher wäre das? 

Zero 7 - In The Waiting Line.



Dein Favorite Guilty Pleasure? 

Ich tanze gerne allein in meiner Wohnung zu den 90s, die ich schon in meiner Kindheit auf der „The Dome“ Hits gehört habe. 



Vielen Dank, dass du dir die Zeit und Mühe gemacht hast, all unsere Fragen zu beantworten, liebe Julie Sophia!

Wir hoffen euch hat Julia Sophias subcultalk mindestens genauso inspiriert wie uns. Wenn ihr sie im echten Leben treffen und gar mit ihr kreative werden möchtet, dann schaut euch ihre Mal Workshops „Lass Farbe und Form kreativ sprechen“ an, die regelmäßig bei ihr im Atelier in Erfurt, Deutschland, stattfinden. 

Bis zum nächsten Mal!

Kat und Team subcultours

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1 Kommentar

Ein tolles Interview mit soviel Tiefe, Gefühl und Ehrlichkeit.

Sylvia Buberl

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